Ethik statt "Lifestyle" - was Veganismus wirklich ist

Niemand ist aus Gesundheitsgründen vegan.

Veganismus betrifft die Gesundheit anderer Tiere, nicht die eigeneVor zwei Jahrzehnten gab eine überwältigende Mehrheit der Vegetarier als Hauptgrund für ihre Ernährungsweise Gesundheitsaspekte an. Kaum jemand berief sich auf Ethik, Tierrechte, Antispeziesismus oder Abolitionismus.

Die Aufklärungsarbeit der wenigen Aktivisten der Anfangsjahre scheint eine, wenn auch nicht die erforderliche, Wirkung erzielt zu haben. Ein Großteil der Vegetarier gibt heute primär ethische Gründe an. Zweifelhaft, das Motiv liegt auf der Hand: vermeintlich selbstloses Verhalten ist besser angesehen als ichbezogene Gesundheitskost. Wären es tatsächlich ethische Gründe, müssten sie vegan werden, denn die Mär vom tierfreundlichen Vegetarismus ist nach dem Kontakt mit dem Konzept des Veganismus, der nicht darauf beruht, dass Veganer nichts Weißes konsumieren wollen, perdu. Spätestens dann kann sich niemand mehr darauf herausreden, nichts gewußt zu haben. Und so kommt es, dass sich viele Vegetarier inzwischen als Veganer ausgeben: denn sich altruistisch zu gerieren ist schick, liegt im Trend, ist mittlerweile sogar lukrativ geworden: so lukrativ, dass selbst eine Tierschutzorganisation, die seit Jahrzehnten Teil der Bettelindustrie ist, das "e" für "Ethik" klein schreibt und noch vor zehn Jahren das Wort "vegan" scheute, es inzwischen missbraucht (etwa um wieder einmal einen unveganen "veganen" Sänger als Werbeträger für die Spenderakquise einzusetzen). Es mag bequemer sein, sich (wie ein bekannter österreichischer Tierschützer und Sektenfreund, dessen Verein für Eikonsum wirbt) von Spendern bezahlen zu lassen, einfacher, als neben dem Achtstundenjob in der spärlichen Freizeit wirklich für Tierrechte zu kämpfen, aber Ablasshandel ist nun einmal schädlich für erfolgreiche Aufklärungsarbeit. Die Existenz von Veganern kratzt am Image und am Selbstbild der Unveganer (vom Grillsportler bis zum Pseudoveganer). Je höher sie sich ethisch wähnen oder geben, desto vehementer gehen sie gegen Realveganer vor und projizieren ihr eigenen Verhalten oder Wunschdenken, Veganer würden "heimlich zur Würstchenbude schleichen", weil sie sich nicht vorstellen können, dass es Menschen gibt, deren Ethik mit so etwas unvereinbar ist. Ungeachtet dessen gibt es inzwischen sogar gewerbsmäßige Bettler, die mit Strohleuten und unbedarften Helfern einen Verein betreiben, der das "vegan" im Namen trägt, um damit Geld einzunehmen - und unter anderem für ein Buch des "Vorsitzenden" voller speziesistischer Propaganda und Esoterik zu werben. Ein sich als veganer Koch ausgebender, Leichen bratender, unveganer Narzisst, der Veganer "Veganazis" und vegane Katzenernährung "Tierquälerei" nennt, landet mit "Fitness"-Büchern voller Fotos von sich und ein paar "cholesterinfreien"(!) Rezepten, vor allem aber Hetze gegen Veganer im Vorwort auf den Bestsellerlisten.

Gesundheitliche Vorteile sind ethisch irrelevant. Dennoch damit zu werben ist symptomatisch für eine sogenannte Tierrechts- oder Tierbefreiungsbewegung, die nichts begriffen hat und der Entwicklung um Jahrzehnte hinterherhinkt, die mittlerweile noch immer Sekten in ihren Reihen zumindest duldet, mit (lebenden und toten) Tieren dealt, nahezu alles, was nicht mehr schreit, als "vegan" gelten lässt und die, die euphemismenfrei Fakten nennen, ausgrenzt. Auch wenn, wer darauf hinweist, als dogmatisch, verbissen, neidisch, militant, veganerer[sic!], beleidigend, aggressiv, besserwisserisch etc. verhöhnt wird, unvermeidlich beschuldigt, auf Wiesen Ameisen totzutrampeln, während sie selbst tolerant, angesagt, locker, lebensbejahend, begeisternd, hip, in der Mitte der Gesellschaft angekommen, den Ton, der die Musik macht, treffend, vorlebend sind: cochenillerote Nahrungsmittel, Aromen aus Rinderfett, Zoobesuche, Seidentücher, alle Jubeljahre ein Stück von der Oma "mit Liebe" (und Eiern und Butter) gebackener Kuchen, viele Shampoos (auch nerzölfreie), Honigbackfermentbrot, gelatinegeklärter Essig usw. sind in der Regel nicht gesundheitsschädlicher als die veganen Alternativen (jedenfalls für die Konsumenten): all dies müsste nicht aus gesundheitlichen Gründen gemieden werden. Wer vegan ist, tut das aber - und ist somit nicht aus Gesundheitsgründen vegan. Wer es nicht tut, ist (noch) nicht vegan - sondern allenfalls (Pseudo-)Veganköstler (die dem Veganismus und damit den Tierrechten weit mehr schaden als nützen).

Wer die ethische Notwendigkeit erkannt hat, wird dagegen vegan. Heute gilt wie vor 20 Jahren: beim Veganismus geht es um Tierrechtsethik - niemand ist aus Gesundheitsgründen vegan.

Autor:Achim Stößer
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