Entspannt in der Barbarei

Jutta Ditfurths Polemik, (Verbal-)Faschismus und Speziesismus

In ihrem jüngsten Werk (Entspannt in die Barbarei. Esoterik, (Öko-)Faschismus und Biozentrismus. Konkret Literatur Verlag, 1996) läßt Jutta Ditfurth sich über ein Konglomerat unterschiedlichster Themen aus - »Anthroposophie, Bioregionalismus, Erdbefreiung, Eugenik, Freiwirtschaftslehre, Germanenmythen, Speziezismus, Spiritualismus, Tiefenökologie, Veganismus, völkische Konzepte, Wurzelrassenlehre ...« [Klappentext] -, wirft alles in einen Topf, rührt um und kippt das ganze über die LeserInnen aus. Welche Farbe eine derartiger Mischmasch hat, läßt der Kunstunterricht erahnen: Ergebnis ihres Rezepts ist ein braune Soße.

Bedauerlich ist dabei zum einen, daß dadurch die berechtigten Teile ihrer Kritik an Glaubwürdigkeit verlieren, zum anderen sinnvolle und notwendige Konzepte wie Antispeziesismus, Veganismus und Tierrecht diskreditiert werden. Hier ist nicht der Platz, jeden Irrtum, jede Halbwahrheit und jede Lüge in Ditfurths Werk im einzelnen zu widerlegen und jeden rhetorischen und propagandistischen Winkelzug zu entlarven. Einige exemplarische Zitate müssen genügen.

»Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich habe nicht das geringste Problem mit der Entscheidung von Menschen, sich vegetarisch oder vegan zu ernähren. Ich kann das respektieren. Es gibt viele gute Gründe, auch für mich persönlich,568 kein oder wenig Fleisch zu essen. Die Argumente gegen »Tierprodukte« wie Milch oder Eier sind allerdings absurd. Die Nutzung von tierischen Stoffen wie zum Beispiel Leder für Schuhe halte ich für legitim, die Alternative wäre ökologisch problematisch: eine horrende Kunststoffproduktion oder endlose Monokulturen für die Latexgewinnung. Bei anderen »Rohstoffen« kommt es darauf an, von welchen Tierarten sie »gewonnen« werden: Wird das Produkt wirklich gebraucht? Sind die Tiere geschützte Arten? Massentierhaltung oder Tierversuche lehne ich ab. Tierversuche sind nicht nur deshalb überflüssig, weil ihre Ergebnisse kaum auf den Menschen übertragen werden können, sondern auch, weil es längst alternative Methoden gibt und weil sie aus einem kritischen Verständnis von Wissenschaft und Forschung her abzulehnen sind.« [S. 168]

Natürlich ist es sehr großzügig, daß sie, anders als beispielsweise Bundeswehr, Gefängnisverwaltungen und auch viele Eltern niemanden dazu zwingen will, Fleisch zu essen. Was allerdings an der Tatsache, daß Milch und Eier zwangsläufig mit Tierquälerei und Tötung verbunden sind, absurd sein soll, verschweigt sie. Überhaupt nennt sie (aus Unkenntnis oder in der Absicht, sie zu verheimlichen?) keines der angeblich absurden Argumente gegen Eier und Milchprodukte: daß nahezu alle Eier aus Legebatterien stammen; daß selbst die wenigen Freilandhühner, sobald die Legeleistung nach etwa einem Jahr nachläßt, getötet werden (während die natürliche Lebenserwartung bis zu fünfzig, im Schnitt zwanzig Jahre beträgt); daß jedes zweite Kücken gleich nach dem Schlüpfen aussortiert und getötet wird - männliche Hühner legen keine Eier und sind bei Legehennenzuchtlinien für die Mast ungeeignet, lebender Abfall. Zudem handelt es sich um Qualzüchtungen: ein normales Huhn würde pro Jahr sechs Eier legen (bei Verlust durch äußere Einwirkungen bis zu zwanzig), Legehennen dagegen bis zu 250, in Batterien 300. Dies führt, da beispielsweise der Kalziumbedarf zum Aufbau der Kalkschale nicht über die Nahrung gedeckt werden kann und daher den Kochen entzogen wird, zu schweren Erkrankungen. Entsprechendes gilt für Milchkühe, die alljährlich (bis sie nach etwa fünf Jahren geschlachtet werden) ein Kalb bekommen müssen, damit der Milchfluß nicht versiegt. Nur die wenigsten Kühe sind lila und werden von kleinen Mädchen mit Gänseblümchen gefüttert.

Es ist bedauerlich, daß Ditfurth, wie weiter unten zu sehen sein wird, »KZ-Vergleiche« ablehnt, sonst müßte sie sich fragen lassen, ob sie, analog zur Haut getöteter Rinder an ihren Füßen auch die Lampenschirme aus Menschenhaut, wie sie in Buchenwald produziert wurden, für »legitim« hält, wo doch die Alternative »ökologisch problematisch« sein könnte. Aber selbst wenn ihr Szenario von »endlosen Monokulturen« etwas mit der Realität zu tun hätte, übersieht sie geflissentlich die endlosen Monokulturen für die Ledergewinnung: vier Fünftel des Weltsojaanbaus und fast die Hälfte des Getreides werden für die Ernährung sogenannter »Nutztiere« verwendet, wobei die Haut etwa ein Zehntel des »Werts« beispielsweise eines Rindes ausmacht. Und die Schwermetalle, die in Gerbereien eingesetzt werden, um das Verwesen der Haut zu verlangsamen, sind angesichts der so entstehenden Gewässerbelastung ökologisch ebenso bedenklich wie die Nitrate im Grundwasser, die aus der Gülle stammen, die Waldschäden durch Ammoniak (in Schweden als Hauptursache für das Waldsterben erkannt) und Methan aus Rindermägen als eine der Hauptursachen für den Treibhauseffekt.

Die Antwort auf die Frage, ob »das Produkt wirklich gebraucht« wird, läßt sich mit ein wenig Logik aus der Existenz von VeganerInnen ableiten: nein, wird es nicht. Wieso lehnt sie nur das Quälen und Töten »geschützter Arten« ab? Ihre Aussagen zu Tierversuchen machen es deutlich: diese sind nicht etwa aus ethischen Gründen, um die Leiden der Tiere zu vermeiden, abzulehnen, nein lediglich aus Gründen des Eigennutzes.

»Nur ein Beispiel für [sachlich falsche Behauptungen]: Richtig ist, daß die Aufzucht von Rindern das Mehrfache an Getreide verbraucht, als die Tiere hinterher an Nährwert mit ihrem Fleisch liefern. Daß aber der totale Vegetarismus den Hunger in der Welt abschafft, ist falsch, denn da gibt es noch einiges andere [...]« [S. 168f] Das trifft zwar zu, ist aber leider ein Strohmannargument: natürlich ist Veganismus nicht ausreichend, um den Hunger zu beseitigen - aber notwendig. Die Ditfurthsche Argumentation ist analog zur Aussage eines Jack the Ripper, der, gebeten, nicht weiter auf sein Opfer einzustechen, erwidert, dieses leide an Leberzirrhose und Syphilis, und wenn er seine Attacke beendete, würde das nichts ändern.

Mehrfach demonstriert sie ihre Ignoranz, indem sie »Speziesismus« schreibt, aber wohl doch eher »Antispeziesismus« meint: »[...] Veganismus und [...] Speziezismus [...] sind nicht identisch, überschneiden sich aber zu großen Teilen« [S. 124] oder »Der Biozentrist und seine GesinnungsfreundInnen, die Bioregionalistin, der Erdbefreier, die rechte Veganerin und der Speziezist, wollen ein einfaches, naturnahes Leben.« [S. 128]

Wie schon im Zusammenhang mit Tierversuchen hat sie nicht begriffen, daß es ethische Handlungsmotive geben kann. Vielmehr spricht sie an zahlreichen Stellen von »Verbot«, als ob Veganismus etwas wie eine Religion sei mit willkürlichen, »gottgegebenen« Ge- und Verboten: »Es gibt kein »natürliches« Verbot, Tiere oder Pflanzen zu essen. Im Gegenteil, die nichtmenschliche Natur macht anderes vor.« [S. 126] Ein Verbot gibt es nicht, richtig, und für jemanden, der verantwortungsbewußt handelt, ist ein Verbot auch nicht erforderlich. »[D]ie nichtmenschliche Natur macht anderes vor«, ganz recht, Kannibalismus bei Löwen, Spinnen, Haien, Kröten, Schimpansen und unzähligen anderen Spezies beispielsweise, aber ist das eine Rechtfertigung für den Kannibalen Jeffrey Dahmer? Habichte, Schwertwale, Kobras können sich nicht vegan ernähren. Menschen dagegen können sich frei entscheiden zwischen Veganismus oder Tierquälerei und Tötung. Unter der Überschrift »Verbote und Aktionen« [S. 166] heißt es: »Also nicht nur kein Fleisch und kein Fisch, verabscheuungswürdig ist auch »weißes Blut«: Milch, Yoghurt, Eier, Butter, Käse.« [S. 167] Die Gründe hierfür wurden bereits oben angedeutet - bei Ditfurth fehlen sie wiederum. Bei Käse kommt noch hinzu, daß als Gerinnungsmittel gewöhnlich Lab aus den Mägen geschlachteter Kälber verwendet wird, so daß er nicht einmal vegetarisch ist. »Verboten auch das Tragen von Pelz, Leder, Seide, Wolle und Daunen, denn alle Produkte werden dem Tier mit Gewalt abgerungen.« [S. 168] Tiere werden zur Pelz- und Ledergewinnung auf qualvolle Weise getötet, Seidenraupen lebend gekocht, ein Drittel der Wolle ist Schlachtwolle, und Schur und Rupfen bedeuten ebenfalls Tierquälerei. »Also Früchte, Nüsse, Samen roh, guten Appetit. Die ganze Welt ein Nußbaum, und wenn's nicht für alle reicht, müssen gegebenenfalls 80 Prozent Menschen dran glauben [...]« [S. 168] Gemüse, Getreide und Hülsenfrüchte, Meeresgemüse, Kräuter und Gewürze zählen übrigens auch zu den veganen Nahrungsmitteln. Rohkost jedenfalls hat mit Veganismus und Tierrecht nichts zu tun (schon, weil dabei beispielsweise auch Rohmilch und Eier verwendet werden können), und die vegane Küche ist sehr viel abwechslungsreicher und interessanter als die »normale«. Die Vorstellung, daß »80 Prozent Menschen dran glauben« müßten, ist natürlich grotesk angesichts der Tatsache, daß ein Großteil der Nahrungsmittel verfüttert wird und ein Vielfaches der Erdbevölkerung vegan ernährt werden könnte.

Vergleichen wir die Realität mit Ditfurths Äußerungen zum Veganismus: »Die Vorbilder der neuen antisozialen Ökogruppen stammen aus den USA. Sie nennen sich Earth First!, Frontline, Hardline, Erdbefreier, TiefenökologInnen, BiozentristInnen, VeganerInnen, BioregionalIstinnen und haben großen Zulauf.« [S. 17] »Neben den BiozentristInnen wie Earth First gibt es die VeganerInnen, beide Gruppen überschneiden sich ideologisch zu großen Teilen. Auch VeganerInnen hängen der Tiefenökologie an. Auch VeganerInnen nennen sich ErdbefreierInnen. Auch sie leugnen das soziale Wesen Mensch und sind AntihumanistInnen. Ihr Ansatzpunkt ist aber nicht unbedingt die mystifizierte Wildnis - wie bei Earth First -, sondern erst einmal alle Tiere, die sie auf die gleiche Stufe stellen wie den Menschen.« [S. 149f] Antisoziale AntihumanistInnen also, die dafür sorgen wollen, daß die Katzen, Koalabären und Kakerlaken uns die Arbeitsplätze nehmen.

Solche Agitation verwundert nicht aus der Hand einer Speziesistin, und als solche ist die Autorin deutlich erkennbar: »Menschen und nichtmenschliche Teile der Natur wie Tiere, Pflanzen oder Viren sind nicht gleichwertig. Menschen sind ein besonderes Produkt der Evolution.« [S. 125] Was, bitte, ist denn der »Wert« eines Baums, eines Menschen, eines Pilzes, eines Schmetterlings, eines Fischs, wie wird er gemessen, so daß er gleich oder ungleich sein kann? Es geht nicht um irgendeinen »Wert«, sondern um die gleiche Berücksichtigung gleicher Interessen. Nicht um Wahlrecht für Quallen, sondern darum, schmerzempfindliche Tiere nicht zu Quälen.

»So behauptet die Organisation, daß sämtliche Versuche, einen »elementaren Unterschied zwischen Menschen und anderen [!] Tieren zu machen [...]« gescheitert seien [...] Tiere hätten »sehr wohl eine eigene [!] Sprache«, lebten »in sozialen Strukturen«, gebrauchten [Werkzeug,] hätten Interessen, den Wunsch nach Leben, Freiheit und Abwesenheit von Leiden [...]« [S. 162] formuliert sie, als ob dem nicht so wäre. Etwas, das jeden Menschen von jedem anderen Tier unterscheidet (das Ausrufezeichen, das sie hinter dem Wort »anderen« in ihrem Zitat setzt, macht deutlich, daß sie entgegen der wissenschaftlichen Realität, die spätestens seit Darwin jedem bekannt sein sollte, Menschen nicht zu den Tieren zählt, als lebten wir noch im finstersten christlichen Mittelalter), einen ethisch relevanten Unterschied zwischen Menschen und anderen Tieren also kann sie nicht nennen, doch sie hält »Religion« [S. 162] für etwas, das »den Menschen« auszeichne: eine ungeheuerliche Diskriminierung religionsloser Atheisten. Sie fragt, ob ein Affe den Koran lese [S. 162], und spricht damit den meisten Nichtmoslems, Legasthenikern, Analphabeten und Kleinkindern das Menschsein ab.

So wundert es nicht, daß sie auf rhetorische Manipulation zurückgreift, um Veganismus zu diskreditieren. Vielfach bestehen Zitate nur aus einzelnen Wörtern, die in einen völlig anderen Kontext gebracht werden, oder entstammen obskuren Fluglättern ohne Autorenangabe oder Datum. So wird beispielsweise die Vegane Aktion Ruhrgebiet zitiert, die zu einem »einfühlsamen Leben« und zum Veganismus aufruft, und übergangslos von einem nicht näher spezifizierten Briefbombenanschlag und einem 15jährigen, der einen »Betonbrocken von einer Autobahnbrücke warf und einen Menschen tötete« [S. 153f] fabuliert. Was das mit Veganismus oder der VAR zu tun haben soll, bleibt wohl für immer Ditfurths Geheimnis, und derartige Stellen sind in ihrem Buch Legion. Auf die gleiche Weise versucht sie, den Eindruck zu erwecken, »die Mehrheit der Szene« (welcher Szene?) rufe zur Gewalt gegen »Metzger und Jäger« auf (mehr zu diesem Thema weiter unten) - noch dazu mit einem »Zitat«, für das sie nicht einmal eine Quelle, und sei es nur ein obskures Flugblatt, angibt [S. 175]. An anderer Stelle heißt es: »Wie Gruhl kennen auch VeganerInnen [...] nur den Feind Mensch, dessen »überflutende Masse[n]«30 angeblich die Welt zerstören.31« [S. 33] Nur wer sich die Mühe macht, die angegebenen Referenzen nachzuschlagen, sieht, daß es sich nicht um Aussagen irgendwelcher »VeganerInnen« handelt, wie Ditfurth hier vorzutäuschen versucht, sondern um die eben jenes Herrn Gruhl.

Äußerungen wie die folgenden bedürfen wohl keines weiteren Kommentars: »Darf ich einen Pickel im Gesicht mit Alkohol desinfizieren, obwohl dabei eintausend Bakterien massakriert werden?« [S. 127] »Oder hat, aus biozentrischer Sicht, das Zyklon B zuviel dem Juden gleichwertiges Kleingetier umgebracht, und das war das eigentliche Problem?« [S. 146] Es fragt sich, wer hier Konzentrationslager verharmlost - die der Nazis wie die der Nahrungsmittelindustrie.

»VeganerInnen werfen Menschen, die sich vorwiegend vegetarisch ernähren und die darauf achten, daß sie tierische Produkte nur unter der Voraussetzung zu sich nehmen, daß die Viecher, als sie lebten, nicht gequält wurden, vor, sie würden eine willkürliche Entscheidung treffen, wem sie Lebensrecht zugestehen und wem nicht. Das ist so. VeganerInnen bestreiten aus ihrer bornierten menschenzentrierten Sicht schließlich auch das Schmerzempfinden von Pflanzen, während sie Tieren soziale Fähigkeit und sogar Religiosität zusprechen. Sie ignorieren das Schluchzen des Blumenkohls, das Wimmern des gestochenen Spargels, den Schrei der brutal zerhackten Petersilie. Schiere Willkür!« [S. 167]

Was ist von jemandem zu halten, der keinen Unterschied darin sieht, einer Kartoffel oder einem Kaninchen die Augen auszustechen? Bemerkenswert, daß die Autorin hier offenbar die wissenschaftliche Ignoranz mit den von ihr zurecht kritisierten EsoterikerInnen teilt: Es handelt sich keineswegs um »bornierte menschenzentrierte Sicht«, sondern um eine wissenschaftliche Tatsache, daß Bohnen, Mais oder Paprika weder über Nervenzellen noch über etwas anderes verfügen, das ihnen ein Schmerzempfinden oder gar ein Lebensinteresse ermöglichen würde, bestenfalls über eine Reizweiterleitung, wie sie auch in einem Thermostat zu finden ist (kann ein Kühlschrank leiden?). Das wäre auch nicht sinnvoll: Schmerz hat sich durch die Evolution entwickelt, um die Tiere zur Gefahrenvermeidung, Flucht usw. zu veranlassen - Süßlupinen aber können nicht fliehen. Und selbst wenn, wie in Ditfurthschen Hirngespinsten, bei der Ernte ein millionenfacher unhörbarer Aufschrei der Ähren durch das Weizenfeld ginge, wäre dieses Leiden doch durch Veganismus auf einen Bruchteil zu reduzieren, da, wie bereits erwähnt, jedeR NichtveganerIn ein Vielfaches an Pflanzen verbraucht - für die Ernährung der Tiere, deren Körper, Eier und Milch dann konsumiert werden.

Zu den »Menschen, die sich vorwiegend vegetarisch ernähren und die darauf achten, daß sie tierische Produkte nur unter der Voraussetzung zu sich nehmen, daß die Viecher, als sie lebten, nicht gequält wurden« [S. 167] gibt es einiges zu sagen. Daß diese »Achtung« spätestens beim Essen in der Kantine, im Restaurant oder im Flugzeug endet - den Batterieeiern in nichtveganen Nudeln, Kuchen, Keksen, Brot beispielsweise. Daß vier von fünf als Freilandeier verkaufte Eier aus Legebattereien stammen. Daß die Schlachtung selbst (die auch am Ende eines kurzen Lebens als Eier- oder Milchproduktionsmaschine steht) mit Qualen verbunden ist. Daß die Tiere, die tatsächlich nicht gequält werden, umso mehr leben wollen. Aber in der Ditfurthschen Phantasiewelt werden lila Kühe, tanzende Schweine und singende Hühner natürlich von einem freundlichen Biobauern totgeküßt.

Ein schöner Tod, »Euthanasie« würde sie in einem anderen Zusammenhang sagen: »Die Rückkehr zur Wildnis, in der nur die Stärksten überleben, ist ein sozialdarwinistisches Bild, das mit den »Euthanasie«-Vorstellungen bekannter TierrechtlerInnen kompatibel ist.« [S. 148] Daß sie »TierrechtlerInnen« nun auch noch absurderweise Sozialdarwinismus andichtet, bedarf wohl keines Kommentars. Wer aber mögen diese »bekannten TierrechtlerInnen« sein? Die Vermutung liegt nahe, daß es sich um Peter Singer handelt, der im Fall von nicht lebensfähigen Säuglingen die Möglichkeit diskutiert, statt diese, wie es üblich ist, langsam sterben zu lassen, »aktive Sterbehilfe« einzusetzen, aber dieser Terminus weckt natürlich keine Assoziationen mit den Morden der Nazis an Behinderten. Tatsächlich ist Ditfurth nicht in der Lage, Singers Namen zu nennen, ohne zugleich das Wort »Euthanasie« zu gebrauchen: »Es ist kein Zufall, daß die neuen »Euthanasie«-Propagandisten wie der Bioethiker Peter Singer auch als Tierrechtler Furore machen.« [S. 17] An anderer Stelle: »Über Peter Singer ist andernorts bereits viel geschrieben worden, das soll hier nicht wiederholt werden. Der Bioethiker, Tierrechtler und »Euthanasie«-Befürworter spielt eine zentrale Rolle [...]« [S. 158f] und »Wie später in »Praktische Ethik« befürwortet Singer schon in »Animal Liberation« »Euthanasie« und Menschenversuche« [S. 159] Als ob es ein Arzneimittel gäbe, das nicht im Menschenversuch getestet wurde. Singers Thesen zur »Euthanasie« mag jemand zustimmen oder nicht (sie zu kennen wäre dazu allerdings nützlich - VeganerInnern jedenfalls lehnenm Gegensatz zu Ditfurth das Töten aller Tiere, also auch von Menschen, ab), die Schlüsse, die Ditfurth daraus zieht, sind jedenfalls höchst eigentümlich: »So sickert sie ein, die Ideologie von der Minderbewertung und Entwertung des Menschen, am Verstand vorbei, gleich in den mit Nüssen und Früchten gefüllten Bauch und das tierliebe Gefühl.« [S. 159] Tatsächlich: mit Verstand ist hier nichts von der »Minderbewertung und Entwertung des Menschen«, die sie herbeireden will, zu erkennen.

»Die Grundregel lautet, daß die Interessen jedes schmerzempfindenden Wesens gleiches Gewicht haben. Speziezismus bedeutet, die Interessen der Wesen einer anderen Spezies zum Vorteil der eigenen zu vernachlässigen.532« [S. 159] Referenz 532 verweist auf 531, welche lautet: »Michael Zimmerman, Interview über Tiefenökologie, in: Gottwald/Klepsch, S. 61ff., S. 68; zit. nach: Peter Bierl, Peter Singer: Speziezismus oder wie das Töten von Menschen leichter wird, in: ÖkoLinX 23/1996, S. 41f. Meine Argumentation folgt der Bierls.« [S. 210] Nirgendwo zitiert sie Singer direkt. Mit anderen Worten: Sie hat nichts von ihm gelesen (eine Eigenschaft, die sie mit den meisten seiner KritikerInnen zu teilen scheint, auch wenn es tasächlich mehr als genug an anderen Thesen Singers zu kritisiern gibt).

Andere dürfen allerdings nicht auf den Faschismus hinweisen: »AP vergleicht Massentierhaltung mit Konzentrationslagern und setzt den Speziezismus mit Sexismus und Rassismus gleich.« [S. 161]

So wie Sexismus die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und Rassismus die Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit ist, ist Speziesismus die Diskriminierung aufgrund der Art. Es handelt sich dabei um eine Analogie, die auf der Hand liegt, eine »Gleichsetzung« erübrigt sich. Ein Beispiel: der Wert der Aussage »Parolen wie »Menschenrechte für Tiere« belegen nicht die Tierliebe der Fordernden, sondern deren Haß auf Menschen.« [S. 17] wird klar, wenn analog formuliert wird: »Parolen wie ,Wahlrecht für Frauen` belegen nicht die Frauenliebe der Fordernden, sondern deren Haß auf Männer.« Weder Liebe noch Haß sind erforderlich, um sich für Frauenrechte einzusetzen.

Inwiefern der »KZ-Vergleich« [S. 175] »die Shoah verharmlost« [S. 174], verschweigt Ditfurth geflissentlich. Schon 1976 erhielt Bernhard Grzimek vom Oberlandesgericht Düsseldorf die Genehmigung, weiterhin von KZ-Haltung in Hühnerbatterien zu sprechen. Als Grund, warum dieser Vergleich unangebracht sein soll, weiß Ditfurth lediglich zu sagen, daß »»hinter der industriell organisierten Vernichtung von Menschen und Massentierhaltung völlig verschiedene Interessen stehen«« [S. 175].

Vermutlich will sie als nächstes verbieten, die Tatsache zu äußern, daß Kücken und »Pelz«tiere vergast werden. Schließlich wird in Brütereien und Pelzfarmen meist ein ganz anderes Gas verwendet als in KZs.

Es ist erstaunlich, daß sie nicht in ihrem Bemühen, VeganerInnen das Hakenkreuz anzuheften, das längst widerlegte Märchen, Hitler sei Vegetarier gewesen, wieder aufwärmt. Hitler hat - und zwar keinesweg aus ethischen Gründen - wenig Fleisch gegessen. So wie Jutta Ditfurth, würde jemand wie sie an dieser Stelle wohl einfügen.

Eine andere beliebte Propagandalüge läßt sie sich jedoch nicht entgehen: »ErdbefreierInnen und rechte VeganerInnen üben sich in Anschlägen auf Ökoschlachter und drohen den uneinsichtigen NichtveganerInnen hin und wieder mit dem Tod.« [S. 34] »Besonders verhaßt bei den VeganerInnen sind Bauern und MetzgerInnen, die Tiere naturnah aufziehen und sie oder ihre Produkte als Ökoware anbieten: »Fleisch fressen ist Mord, Käse fressen ist Folter« heißt ihre Parole. Militante VegetarierInnen gingen monatelang gegen einen Bremer Öko-Schlachter vor, der im Mai 1995 schließlich sein Geschäft aufgab.566 Die veganen Helden hatten sich einen kleinen Gegner ausgesucht, keinen Schlachthof, keine Massentierhaltung« [S. 167f].

Auf die Verlogenheit des Begriffs »Öko-Schlachter« - eine lila Kuh produziert ebensoviel Methan, Gülle und Ammoniak wie jede andere, und sie überlebt die Schlachtung ebensowenig - soll hier nicht weiter eingegangen werden. Viel interessanter sind die angeblichen Todesdrohungen. Wieder fehlt es hier an Logik: VeganerInnen lehnen das Töten von Tieren ab. MetzgerInnen sind nicht etwa »Pflanzen oder Viren« [S. 125], sondern Tiere. Was also folgt daraus bezüglich des Tötens von MetzgerInnen durch VeganerInnen? Und inzwischen ist Matthias Groth, jener berüchtigte Bremer »Öko-Schlachter« wegen Brandstiftung und Vortäuschens einer Straftat verurteilt: den angeblichen Brandanschlag auf seinen Laden hatte er selbst begangen.

Dankenswerterweise faßt Ditfurth den Inhalt ihrer Ergüsse zu Veganismus, Tierrecht und Antispeziesismus selbst unfreiwillig in einem Wort zusammen: »Blablabla.« [S. 147]

Entspannen jedenfalls sollten wir uns erst, wenn eine geistige Barbarei, wie sie sich in einem derartigen Machwerk manifestiert, der Vergangenheit angehört.

Nachtrag: Bei der Vorstellung ihres Buchs in Karlsruhe drohte Ditfurth dem Autor mit einem Saalverweis, als er fragte, wie die Tatsache, daß in Deutschland jährlich 40 Millionen Kücken vergast werden, anders formuliert werden solle. Zitate aus diesem Flugblatt sowie einige Kommentare führten bei einer ähnlichen Veranstaltung in Frankfurt tatsächlich zu einem Saalverweis, gefolgt von einem Tumult, bei dem Ditfurths Lebensgefährte Prügel »in die Fresse« androhte.

Autor:Achim Stößer
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