Prophetin Gabriele sucht massiv nach neuen Anhängern

Stadträte kritisieren Werbeaktionen der umstrittenen Glaubensgemeinschaft Universelles Leben in der Markthalle

Die umstrittene Glaubensgemeinschaft Universelles Leben ist verstärkt auf Mitgliederfang. In der Markthalle verteilen Anhänger Werbebroschüren, im Institut für Auslandsbeziehungen führen sie ihre so genannten Glaubensheilungen vor. Die Stadt schaut zu.

Am Naturkoststand der Glaubensgemeinschaft Universelles Leben in der Markthalle gibt es nicht nur Biogemüse, sondern auch Hochglanzbroschüren, die die Schriften der selbsternannten Prophetin Gabriele Wittek anpreisen. In einer Bundestagsdrucksache von 1995 zum Thema Sekten wird das Universelle Leben "den so genannten Jugendsekten und Psychogruppen zugerechnet". Die Sektenbeauftragte der SPD im Landtag, Carla Bregenzer, nennt die Gruppe eine totalitäre Organisation, die "der Werteordnung unseres Grundgesetzes zuwiderläuft und für den gläubigen Anhänger Gesundheitsgefahren birgt". Experten gehen bundesweit von 40000 Anhängern aus. Zu der vor allem in Würzburg und Umgebung aktiven Glaubensgemeinschaft gehören auch zahlreiche Handelsbetriebe. In Stuttgart treffen sich die Anhänger der Prophetin regelmäßig am "Ort urchristlicher Begegnungen" in der Kronenstraße.

Auf Einladung des Universellen Lebens haben sich am Mittwochabend rund 50 Zuhörer im Institut für Auslandsbeziehungen (Ifa) versammelt. Erst bekamen die Besucher eine auf CD aufgenommene Offenbarung der angeblichen Prophetin zu hören, dann wurden ihnen eine Glaubensheilung vorgeführt. Über den Köpfen der zu Heilenden wurden symbolträchtig Hände gefaltet. Dass die Veranstaltung auch der Werbung neuer Anhänger dienen sollte, war offensichtlich: Vor dem Vortragssaal stapelten sich Dutzende von Broschüren und Glaubensheften.

Allerdings dürfte das die letzte Veranstaltung des Universellen Lebens im Ifa gewesen sein. Der stellvertretende Generaldirektor Udo Rossbach räumte gestern ein, dass dem Institut ein Fehler unterlaufen sei: "Das Universelle Leben ist uns durchgerutscht. Es war nicht klar, wen wir da im Haus haben." Vier Veranstaltungen hielt die Glaubensgemeinschaft im Ifa ab, bei zweien war das offizielle Thema der Umgang mit der Tierwelt.

Auch beim Obstverkauf werben die Glaubensbrüder geschickt für die Schriften ihrer Prophetin von eigenen Gnaden. "Lebe gesund", heißt das Gütesiegel eines Naturkoststands in der Markthalle. Bereits seit Jahren ist bekannt, dass sich dahinter die umstrittene Glaubensgemeinschaft verbirgt. Wer am Stand einkauft, bekommt schon mal eine 30 Seiten starke Broschüre zugesteckt, in dem Bücher aus einem Verlag namens "Das Wort" angepriesen werden. Über die angegebene Internetseite kann man sich leicht zur Homepage des Universellen Lebens durchklicken. Dort ist nachzulesen, dass "uns Gabriele, die Prophetin und Botschafterin Gottes in ihren Geistigen Hilfen für den Tag Anregungen, Hinweise und guten Rat" gibt. Einige diese Geistigen Hilfen gebe es auch als Bücher beim Verlag "Das Wort".

Nach Ansicht der Stadträte Andreas Reißig (SPD) und Werner Wölfle (Grüne) handelt es sich "eindeutig um Werbung für das Universelle Leben". Reißig hat für seine Fraktion einen Antrag angekündigt, der auf eine Kündigung des Verkaufsstands in der Markthalle abzielt. Er beruft sich dabei auf ein Schreiben des ehemaligen Marktamtes vom 17. Juli 1996. Damals hatte Geschäftsführer Lothar Breitkreuz der Glaubensgemeinschaft nach Beschwerden geschrieben, "dass am Verkaufsstand keinerlei Werbung für das Universelle Leben durchgeführt werden darf". Ansonsten drohe die Kündigung.

Unterdessen bemüht sich der Standleiter Michael Groß um Schadensbegrenzung. Es gehe in der verteilten Broschüre "sachbezogen um unsere Ware". Zwar würde im Heft auch für Bücher geworben, "die vom Universellen Leben kommen", allerdings sei das in seinen Augen "keine direkte Werbung". Anders sieht es Andreas Reißig. Der Stadtrat fordert Ordnungsbürgermeister Jürgen Beck (CDU) auf, "sich endlich von seinem Schreibtisch zu erheben". Bei der Sektenbekämpfung habe Beck total versagt. "Wir müssen unsere Möglichkeiten ausschöpfen" fordert Reißig. Davon aber sei die Stadt weit entfernt.


Michael Ohnewald und Nicole Höfle, Stuttgarter Zeitung, 23. Juni 2001

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