"Lebe Gesund"-Laden steht "Universelles Leben" nahe

Neues Öko-Geschäft im City-Center laut Unternehmen jedoch von Sekte unabhängig - Gericht: UL teils totalitäre Gemeinschaft

Der neue Öko-Laden "Lebe Gesund" im City-Center wird von dem gleichnamigen Unternehmen betrieben, dessen Personal teilweise aus Anhängern der Sekte Universelles Leben (UL) besteht. Wie eine Unternehmenssprecherin auf Anfrage mitteilte, arbeitet die Kette - es gibt mehrere Lebe-Gesund-Läden in Deutschland sowie Stände auf Wochenmärkten - jedoch "wirtschaftlich und juristisch völlig unabhängig". Laut einem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts lasse sich aus den UL-Schriften folgern, dass die Gemeinschaft teils totalitäre Züge trägt und sie "Anspruch auf Arbeitskraft und finanzielle Mittel ihrer Anhänger erhebt". Das Mainzer Sozialministerium hat 1994 vor der Sekte gewarnt. Der Sektenbeauftragte der katholischen Kirche im Bistum Speyer, Christoph Bussen, steht ihr äußerst kritisch gegenüber.

Brot, Gemüse, Obst, Säfte, Aufstriche, Gebäck, jedoch keine tierischen Produkte. Das Angebot des neuen "Lebe Gesund"-Ladens im City-Center unterscheidet sich kaum von einem anderen ökologisch orientierten Geschäft. Alles ist sauber und ansprechend dekoriert. Das Personal trägt als einheitliche Kleidung gelben Kittel. Für den normalen Verbraucher deutet nichts auf die enge Beziehung zum Universellen Leben hin. Eine gläubige Orientierung ergibt sich aus dem Stempel "Lebe Gesund - Güter Neu-Jerusalem", den die Waren tragen.

Auch eine Hochglanz-Broschüre mit dem Titel "Der friedfertige Landbau", die ausliegt, verweist nicht auf UL. Der Inhalt beschränkt sich auf die ökologischen Grundlagen, nach denen angebaut werde sowie auf die Aufzählung übriger Läden, die es beispielsweise noch in Frankfurt, Nürnberg und Würzburg gibt. Auf den hinteren Seiten findet sich - nicht als UL-Material gekennzeichnet - Werbung für die Bücher "Die Bergpredigt" und "Das ist mein Wort - Das Evangelium Jesu". Diese können bestellt werden beim Verlag "Das Wort GmbH - Der universelle Geist, Leben im Geiste Gottes" mit Sitz in Marktheidenfeld bei Würzburg. In Würzburg ist auch die Zentrale von Universelles Leben (ehemals "Heimholungswerk Jesu Christi").

Gegründet wurde die Gemeinschaft 1984 von Gabriele Wittek, eine ehemalige Kontoristin, die sich seit Ende der 70er Jahre Prophetin Gottes nennt und als dessen Medium agiert. Nach dem bevorstehenden Ende der Welt würden nur die UL-Anhänger überleben, verkündete sie. Die Gruppierung errichtete laut einer Mitteilung des Berliner Senats ein eigenes Erziehungs- und Schulsystem. "Kinder von Anhängern wachsen in so genannten Vater-Mutter-Häusern auf", heißt es darin. Vom Kleinkindalter bis in das Erwachsenenalter solle die "Intensivschule des Geistes Gottes" wirken und keine andere Orientierung zulassen. "Eltern sollten sich nicht an ihr Kind binden", so der Senat weiter.

In den so genannten "Christusbetrieben" sorgten "Harmoniegespräche" dreimal täglich für "geistige Ausrichtung" im betrieblichen und privaten Bereich, deren Folge unter anderem eine gegenseitige Kontrolle als Mittel zur Durchsetzung des Harmoniediktats sei, besagt die Senatsmitteilung. Das Harmonie-Ideal könne für den Einzelnen bedeuten, "wesentliche Teile der Persönlichkeit aufzugeben". Die Feindbilder sind nach dem Senat vielfältig, zitiert wird aus einer UL-Schrift: "Der Klerus ist der Hetzer, der Staat und Teile des Volkes sind die Verhetzten, die Richter die Angepaßten, die Journalisten und Reporter die Ausführenden."

"Wir sind Anhänger"

"Wir sind Anhänger des Universellen Lebens", bekannte eine der Verkäuferinnen im Laden im City-Center auf Anfrage. Die Produkte, die im Laden verkauft werden, würden strengsten ökologischen Kontrollen unterliegen, was der Öko-Verband ANOG überwache. Sie selbst sei Urchristin und wie ihre Kollegen aus der Amtskirche ausgetreten. "Mit deren mörderischen Geschichte wollen wir nichts zu tun haben", sagte sie. Der Laden stehe in keiner direkten Verbindung zum Universellen Leben. Auch seien nicht alle Beschäftigte Mitglied bei UL. Identische Aussagen kamen gestern auf Anfrage auch von Silke Dziallas, bei der "Lebe Gesund Steinmühlen-Brot GmbH" für Werbung zuständig.

Dietmar Umstätter, der für die Kindermann-Gruppe das Frankenthaler City-Center vermietet, reagierte völlig überrascht. "Das ist das erste Mal, dass ich so etwas höre", sagte er zu der ideologischen Ausrichtung von "Lebe Gesund". Es handele sich um ein renommiertes Unternehmen mit Filialen in Großstädten.

Laut Ordnungsamtsleiter Karl Metzdorf sei Universelles Leben vor einigen Jahren bereits mit einem Ökowaren-Stand auf dem Wochenmarkt vertreten gewesen. Der Stadt sei es gelungen, diesen Vertrag ohne Widerspruch zu kündigen. Stände mit Beziehungen zu Sekten seien nicht erwünscht. Auch in Stuttgart muss nach Kündigung und Gerichtsbeschluss "Lebe Gesund" seinen Stand in der Markthalle zum 31. März 2002 räumen.

In einer Drucksache der Mainzer Landesregierung mit dem Titel "Sekten und ihre Unterorganisationen" von 1995 wird die UL-Anhängerzahl bundesweit auf 40.000 und für Rheinland-Pfalz auf 200 geschätzt. Die Mitglieder seien im so genannten Christusstaat "streng reglementiert und hierarchisch organisiert". Die Kritik an UL beziehe sich in erster Linie "auf die rigide Struktur, den Absolutheitsanspruch, die Methoden und die die Mitglieder vereinnahmenden Regeln innerhalb der Organisation, die Heilungsmethoden und den Umgang mit Kritikern und Andersdenken". Diese würden vom Universellen Leben mitunter als "Rufmörder" bezeichnet. Gegen eine Warnung vor der Sekte durch den Mainzer Sozial- und Familienminister sei diese bis vors Bundesverfassungsgericht juristisch vorgegangen, jedoch ohne Erfolg.

"Meiner persönlichen Ansicht nach ist Universelles Leben sehr problematisch", so Bussen. Oberflächlich betrachtet beschäftige sich UL mit religiösen und aktuellen Umweltthemen, was für gutgläubige Menschen Anreiz sein könne. "Doch diese Themen werden anders gefüllt und haben mit Christentum nichts mehr zu tun", so Bussen. Als Beispiel für abstruse Denkweisen bei UL nannte der Sektenbeauftragte eine Vortragsveranstaltung über Reinkarnation in Ludwigshafen, bei der ein ranghoher Vertreter von UL auf Nachfrage eine Mitverantwortung der Juden an ihrer Vernichtung durch die Nazis zugewiesen habe.

Laut einem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München aus 1998 sieht das zentrale UL-Regelwerk, die so genannte Gemeindeordnung, "für den Einzelnen in Teilbereichen keinen Spielraum mehr für seine persönliche Entfaltung vor". Diese weitgehende Vereinnahmung der Person stehe nicht im Einklang mit dem Menschenbild des Grundgesetzes. UL engagiere sich wirtschaftlich und politisch. Zwar sei die Glaubensgemeinschaft selbst weder Inhaberin noch Gesellschafterin eines Gewebebetriebes, die wirtschaftliche Betätigung der Mitglieder und anderer Anhänger in den Christusbetrieben "ist ihr aber zuzurechnen, da sich die Gemeinschaft für diese Betriebe als verantwortlich und weisungsbefugt zeigt".

Ein zentraler Bestandteil der Heilslehre sei das selbstlose Leben in der Gemeinschaft. "Persönliches Eigentum wird als eine Belastung auf dem Weg zu Gott bewertet", so das Gericht. Daher sei es gerechtfertigt zu sagen, "dass die Gemeinschaft Anspruch auf Arbeitskraft und finanzielle Mittel ihrer Anhänger erhebt". Die Münchener Richter sahen auch eine hierarchische Gliederung gegeben. Aus den Schriften des Universellen Lebens lasse sich folgern, "dass die Glaubensgemeinschaft in einzelnen Bereichen totalitäre Züge trägt".


Thomas Brückelmeier, Die Rheinpfalz, 6. März 2002

Internet:http://maqi.de/ul