"Wir sind Natur- und Tierschützer, keine Glaubenskongregation"

Die "Initiative zur Abschaffung der Jagd" wehrt sich gegen den Vorwurf, von der Gemeinschaft "Universelles Leben" unterwandert zu werden

An diesem Samstag blasen sie am Kurfürstendamm mal wieder zum Halali auf die Jagd. Mehrere hundert Menschen, die es einen Skandal nennen, dass in Deutschland jedes Jahr Millionen Tiere vor die Flinten und in die Fallen der Jäger geraten, werden die Berliner Prachtmeile hinunterziehen. Sich zum Abschluss vor der Gedächtniskirche an Reden über "den blutigen Krieg gegen unsere Mitgeschöpfe in Wald und Feld" laben und streng vegetarische Suppe aus der Feldküche löffeln.

Zehnmal sind die Tierschützer schon gelaufen, seit die "Initiative zur Abschaffung der Jagd" im vergangenen Herbst ihre monatlichen Demos aufgenommen hat. Etliche Passanten fanden das richtig, die Hatz auf Reh und Hase geht vielen Menschen gegen den Strich. Doch bisher war das Protest-Business-as-usual im Herzen der Hauptstadt, wo jede Woche dutzende Interessengruppen auf die Straße gehen. Gut für eine Fünfzehn-Zeilen-Meldung in den lokalen Zeitungen und eine Durchsage im Verkehrsfunk.

Diesmal könnte es etwas anders sein. Denn vor wenigen Tagen hat Thomas Gandow, Sektenbeauftragter der evangelischen Kirche in Berlin und Brandenburg, das Defilee öffentlich auf den Kieker genommen. Gandows Behauptung: Die spiritistische Gemeinschaft "Universelles Leben" (UL) versuche, über die Anti-Jagd- Initiative "ihren Einfluss in der Tierschützerszene zu verbreitern". Unbedarfte Bambi-Freunde, warnt der Pfarrer, riskierten bei einer Teilnahme an der Demonstration, "sich vor den Karren der problematischen Sekte spannen zu lassen".

Tatsache ist, dass das UL - nach Ansicht von Experten wie Gandows bayerischem Amtskollegen Wolfgang Behnk eine Organisation mit totalitären Tendenzen - seit einiger Zeit mit harscher Kritik am Waidwerk von sich reden macht. Die Zeitschrift Das Friedensreich, die der Organisation nahe steht, prangert das Treiben der Jäger an; Jagdverbote in Nachbarländern und tödliche Unfälle auf der Pirsch ("Jäger erschießen sich gegenseitig") finden zuverlässige Berichterstattung. Und immer wieder ist in den Publikationen Platz für heftige Seitenhiebe gegen die evangelische und die katholische Kirche. Dass deren Geistliche den Grünröcken am Hubertustag auch noch Segen spenden, ist für UL-Mitglieder nur eine von vielen Verfehlungen der ungeliebten Amtskirchen.

Ihren Schwerpunkt hat die Gemeinschaft in einigen Gemeinden um Würzburg, wo ihr nahe stehende "Christusbetriebe" unter anderem Öko-Produkte vermarkten. Ihr Anti-Jagd-Engagement begründen die UL-Mitglieder, die sich selbst als Gemeinschaft von fleischlos lebenden "Urchristen" darstellen, mit den Zehn Geboten und den "Offenbarungen" der UL-Gründerin Gabriele Wittek. Die 1933 geborene Hausfrau will mit "Gott, dem Ewigen" und außerirdischen Intelligenzien in engem Kontakt stehen.

Zuletzt Ende Februar vergangenen Jahres soll der Allmächtige die Menschheit über seine selbst ernannte Prophetin zu Vegetarismus und absoluter Tierliebe aufgerufen haben. Im Falle der Nichtbeachtung droht Gott laut Wittek schon mal mit "weltweiten Katastrophen", die "die Menschen zu Hunderttausenden hinwegraffen" dürften.

Für Kurt Eicher sind diese Vorstellungen Privatsache wie jedes andere religiöse Gefühl auch. "Wir sind Natur- und Tierschützer und keine Glaubenskongregation", schimpft der agile Lehrer, der die "Initiative zur Abschaffung der Jagd" koordiniert. Deshalb hege er bei Mitgliedern der Wittek-Gemeinschaft genau so wenig Berührungsängste wie bei katholischen und atheistischen Mitstreitern oder jenen Hare-Krishna-Anhängern, die fleißig Unterschriften für ein Jagdverbot sammeln.

Zu den Berliner Demos reist Eicher mit Frau und Kindern aus Heilbronn an. Den Unterwanderungsverdacht durch das UL, den der Sektenbeaufragte Gandow geäußert hat, nennt er "eine Schlammschlacht" und "totalen Quatsch". Denn: "Wir haben mit Leuten von denen zusammengearbeitet, aber deshalb übernimmt uns doch keiner."

Immerhin sollte auf einem Symposium, das die Initiative am vergangenen Freitag in der Berliner Technischen Universität veranstaltete, unter anderen Christian Sailer das Wort übernehmen. Der war zwar, wie Eicher betont, früher ein bekannter Münchener Jurist mit Schwerpunkt Umweltrecht. In jüngster Zeit ist Sailer indes vor allem als Pressesprecher und Anwalt des "Universellen Lebens" aufgefallen. Hauptziel der ausgeprägten Klagefreude der Organisation sind Kritiker, insbesondere kirchliche Sektenbeauftragte, denen Sailer in einer Prozess-Schrift etwa "eine neue Inquisition" nachsagt. Außerdem publiziert Sailer in dem UL-nahen Verlag "Das Wort" Bücher. Ein Titel lautet etwa: "Der Feldzug der Schlange und das Wirken der Taube". Darin werden die Botschaften von "Gottesprophetin" Wittek popularisiert.

Sektenbeauftragter Thomas Gandow will von mehreren "seriösen Tierschützern" Unterlagen erhalten haben, nach denen das Symposium sogar "unter erheblichem Einfluss des UL" zu Stande gekommen sei. Was Anti-Jagd-Aktivist Eicher wiederum heftig dementiert: Er habe fast alles selbst organisiert und den viel beschäftigten Sailer regelrecht bekniet, ein kurzes Referat zu halten. In vollem Wissen um dessen Tätigkeit für die Glaubensgemeinschaft, die in der Internet- Einladung zum Symposium allerdings mit keinem Wort erwähnt wird. Dass mit German Murer, laut Gandow 1995 verantwortlich für die UL-Zeitschrift Christusstaat, ein weiterer Mann mit mutmaßlichen UL-Verbindungen bei der Initiative mitwirkt, hält Eicher ebenfalls für unproblematisch.

Nach Gandows Enthüllung ist Jurist Sailer erbost abgesprungen. "Ein herber Verlust", klagt Eicher. Im Gespräch mit der FR gibt er sich moderat: Das Aufreger-Potenzial um den UL-Anwalt habe man wohl "naiverweise unterschätzt". Schließlich sei die Anti-Jagd-Initiative den Kirchen schon länger ein Dorn im Auge, weil sie deren Hubertusmessen kritisiere. In einer schriftlichen Erklärung bedient sich Eicher dann einer härteren Diktion: "Endlich können uns die Kirchen in eine Schublade stecken und kräftig diffamieren, da es Scheiterhaufen nicht mehr gibt, ist dies das probate Mittel der ,Scheinheiligkeit'."

Die Umzüge im Herzen der Hauptstadt will der Jagd-Gegner indes unverdrossen fortsetzen. Und dabei seine Initiative offen halten: "Wir brauchen doch Leute, die sich einen ethischen Kopf machen."


Rainer Jung, Frankfurter Rundschau Vermischtes, 2. August 2002

Internet:http://maqi.de/ul