Geistige Brandstifter: Anti-Veganismus-Propaganda im Tagesspiegel

Rechtsxtremismus

Die Gesellschaft muss auch mit Rassisten human umgehen (Gastkommentar)

Gerhard Mauz

Die innere Sicherheit war gefährdet und der Generalbundesanwalt hatte die Ermittlungen an sich gezogen. Seit Monaten wurde vor dem Strafsenat eines Oberlandesgerichts verhandelt, und die Aufmerksamkeit, mit der die Bundesrepublik diesen Strafprozess beobachtete, hatte noch nicht nachgelassen. Schwerste Straftaten, auch Mord, wurden den Angeklagten vorgeworfen. Der Prozess liegt über ein Jahrzehnt zurück.

Die Hauptverhandlung näherte sich dem Ende. Die Richter des Senats hatten eben die Plädoyers und Strafanträge der Bundesanwaltschaft gehört. Betroffen standen sie in ihrem Beratungszimmer. Denn das, was ihnen vorgetragen worden war, war mit einer Leidenschaft ohnegleichen vorgebracht worden. Härte und Strenge gebührten den Angeklagten, doch es gibt eine Grenze, an der die verbale Hinrichtung beginnt. Und diese Grenze war überschritten worden. Schließlich sagte der Vorsitzende in das Schweigen im Beratungszimmer hinein, den Satz, der ausdrückte, was die Richter empfanden: "Man tritt nicht auf Liegende."

Am Mittwoch dieser Woche wird in Halle ein OLG-Senat sein Urteil über einen Erwachsenen und zwei Jugendliche verkünden. Die drei Angeklagten haben den Mosambikaner Alberto Adriano in Dessau zusammengeschlagen und dann zu Tode getreten. Doch auch ihnen gegenüber, gerade ihnen gegenüber gilt der Satz: "Man tritt nicht auf Liegende."

Der Senat, der am Mittwoch in Halle sein Urteil öffentlich verkünden und begründen wird, braucht diesen Satz und den Hinweis auf die Situation nicht, in der er gesprochen wurde. Dass der Senat die Öffentlichkeit während seiner Sitzungen ausschloss, belegt, dass sich diese Richter der Verantwortung ihrer Unabhängigkeit bewusst sind.

Mit Feindbildern ist Geschichte gemacht, ist Herrschaft ausgeübt worden. Die Ungläubigen waren ein Feindbild, die Hexen ein anderes. Es ließen sich unzählige Beispiele anführen. Sie reichen weit in das vergangene Jahrhundert hinein. Der Feind im Osten, der Feind im Westen. Da musste man zusammenstehen, einig sein, gehorchen, um zu überleben. Da musste man das Weltjudentum vernichten und dem Führer folgen.

Die von den jeweiligen Machthabern vorgegebenen Feindbilder beginnen nun, ihre Kraft zu verlieren. Es ist erkennbar geworden, wem sie nutzten. Doch jetzt leiden viele dran, dass die Orientierung fehlt, die Ausrichtung, die diese Bilder gaben. Der Franzose Descartes, der 1596 bis 1650 als "Vater der neueren Philosophie" mit dem Satz "Ich denke, also bin ich" den Boden für das Vertrauen zur Vernunft bereitete, hat dieser Tage eine seltsame Variante bekommen.

"Ich habe einen Feind, also bin ich", lautet diese Variante. An die Stelle der national oder religiös vereinenden Feindbilder sind andere Feinde getreten, die es zu bekämpfen, zu überwinden gilt, damit die Menschheit überlebt. Die Regenwälder, die Geschwindigkeitsbeschränkung, der saure Regen, die Robben, die Arbeitslosen, die Legebatterien, die Verschmutzung der Gewässer, der Walfang, die Müll-Lawine, der Pelzhandel, die Atomenergie, die Drogen, das Ozonloch, Aids - all diese Themen bedürfen gewiss der höchsten Aufmerksamkeit, doch wo das Überleben des Homo sapiens tatsächlich dringend auf dem Spiel steht, ist nicht mehr zu erkennen.

Denn jedes Thema wird so betrieben, als sichere allein seine Bewältigung den Frieden unter den Menschen und mit der Natur. Und wer - dem jeweiligen Thema gegenüber - nicht bereit ist, mit in den Kampf zu ziehen, ist der Feind. Gegen ihn muss durchgesetzt werden, dass wir lieber nackt zu gehen als Pelz zu tragen haben. Und erst, wenn die Veganer so viele Metzgerläden angezündet haben, dass Tiere nicht mehr geschlachtet werden, schließen sich die Israelis und die Palästinenser friedensselig in die Arme.

Kürzlich hat in Berlin der örtliche Nichtraucherbund gegen die Benennung eines Platzes mit dem Namen der jüdischen Familie Garbáty protestiert hat. Denn Garbáty ist Zigarettenfabrikant gewesen, er hat "profitorientiert gewirkt" und für die "Herstellung eines derart risikovollen Produkts" darf man nicht geehrt werden. "Ich habe einen Feind, also bin ich."

Die drei Angeklagten in Halle haben Kindheiten hinter sich, die sie nicht entlasten, wegen denen man ihnen Härte und Strenge nicht ersparen kann. Doch uns hat zu beschäftigen, was schon Kinder Zuflucht in Gemeinschaften suchen lässt, die blinder Hass zusammenhält.

Ob in Halle auf Mord oder Totschlag erkannt werden wird - Bundesanwalt Joachim Lampe hat in seinem Strafantrag in Halle davon gesprochen, dass die Angeklagten "ohne langfristige Gesamterziehung und das Erlernen beruflicher und persönlicher Alternativen unweigerlich eine Gefahr insbesondere für ausländische Mitbürger bleiben". Setzen wir doch bitte den Strafvollzug materiell in die Lage, auf die Verurteilten einzuwirken. Lampes Hinweis zeigt einen Weg, die drei Angeklagten, die mit ihrer schrecklichen Tat am Boden liegen, aufzurichten.

Gerhard Mauz ist Autor des "Spiegel".

(Der Tagesspiegel, 28. August 2000)

Leserbrief

Geistige Brandstifter

Achim Stößer

"Mit Feindbildern ist Geschichte gemacht, ist Herrschaft ausgeübt worden", schreibt Mauz, und was für die Christen die Hexen, für die Nazis die Juden, sind für die Speziesisten wie Mauz die Veganer, das demonstriert er nur zu deutlich.

Er spricht vom "Feindbild [...] Legebatterie" der Antispeziesisten, ebenso könnte er vom "Feindbild Konzentrationslager" der Antifaschisten sprechen, nur würde seine Gesinnung dadurch zu offenkundig. Legebatterien sind kein Feindbild, sondern Realität einer Gesellschaft, in der der Homo sapiens sich als Herrentier wie Herrenmensch gebärdet. Nicht um das "Überleben des Homo sapiens", das für Mauz offenbar oberste Priorität jenseits jeder Ethik hat, geht es dabei in erster Linie, doch wie soll jemand, der Tiere mißhandelt und abschlachtet (oder andere dafür bezahlt), um ihre Leichen aufzufressen, das begreifen?

Das "Thema wird so betrieben, als sichere allein seine Bewältigung den Frieden unter den Menschen und mit der Natur"? Das nicht, durch Veganismus allein wird beispielsweise solche Stürmer-Journaille kaum abgeschafft, ebensowenig Erdbeben oder die Verwandlung der Sonne in eine Nova in ein paar Milliarden Jahren. Wohl aber könnte durch Veganismus der billionenfache Mord an Tieren, und nebenbei, was inzwischen niemand mehr ernstlich leugnen kann, das Welthungerproblem sowie ein Großteil der Umweltzerstörung auf einen Schlag beseitigt werden, sicherlich ein bedenkenswerter Ansatz, zumindest für den, der denken kann, und der in einer anderen Abwandlung Descartes', denkt, also Tierprodukte nicht ißt.

Daß Gewalttäter in ihrer Kindheit häufig Tiere gequält haben, ist mittlerweile kein Geheimnis mehr ("uns hat zu beschäftigen, was schon Kinder Zuflucht in Gemeinschaften suchen lässt, die blinder Hass zusammenhält"? Kinder, denen Blutvergießen allmittäglich am Eßtisch vorgelebt wird?), und umgekehrt gibt es seit langem Studien, die zeigen, daß eine entsprechende Ernährungsumstellung weg vom üblichen Leichenfraß die Gewaltbereitschaft in Gefängnissen signifikant senkt - soviel zum zweiten Teil seines Satzes "[E]rst, wenn die Veganer so viele Metzgerläden angezündet haben, dass Tiere nicht mehr geschlachtet werden, schließen sich die Israelis und die Palästinenser friedensselig in die Arme." Unnötig, Tolstois Aphorismus von Schlachthäusern und Schlachtfeldern zu bemühen.

Entscheidender aber noch der erste Teil. Wie die Nazis den Reichstagsbrand van der Lubbe unterschoben, so schwadronieren Goebbels' Enkel von brennenden Metzgereien. Wann immer von Veganismus die Rede ist, der arme, terroristierte Bremer "Öko"schlachter Groth darf nicht fehlen. Was spielt es da schon für eine Rolle, daß es nicht die Veganer waren, die das Feuer legten, sondern daß Groth selbst der Brandstifter war und deshalb wegen Vortäuschung einer Straftat vom Bremer Amtsgericht verurteilt wurde (http://antiSpe.de/txt/Grothverurteilung.html). Und somit erweist der Kolporteur Mauz sich selbst als geistiger Brandstifter.

Autor:Achim Stößer
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